ENDLICHER | HÜPFNER
Much more than that
14. März  – 18. April 2024

Sprache als Ausgangspunkt und Arbeitsmaterial – genau hier setzt unsere Ausstellung von Arbeiten Michael Endlichers und Kurt Hüpfners an. Während Michael Endlicher sich ganz der Sprache verschrieben hat, ob vorgetragen in Performance und Video oder festgehalten im Bild, ist das Schreiben für Kurt Hüpfner ein täglicher Begleiter, der aber nur selektiv Einzug in seine Werke gefunden hat. Es treffen zwei schreibende Künstler und Kritiker aufeinander – sie hinterfragen und provozieren.

Michael Endlicher experimentiert mit Worten und Buchstaben in seinen Arbeiten, die Ausstellung zeigt Arbeiten aus drei Werkgruppen: Kritikbilder, Dramenbleche und Buchstabenbilder. Endlicher hinterfragt wie über Kunst gesprochen wird – in seinen Kritikbildern zitiert er Kunstkritiker, Theoretiker und Reflexionen über Kunst. Er reißt Aussagen aus dem Kontext, bringt sie auf die Leinwand und lässt aus Worten Bilder werden. Der kritisch süffisante Unterton in der Auswahl der Zitate lässt sich dabei fast nicht überhören, so handelt es sich doch immer um bedeutungsaufgeladene, beinahe unverständliche Formulierungen.

Der Sprache liegt ein System aus Wortschatz und Grammatik zugrunde – ganz ähnlich gibt es auch ein klares System in Endlichers Dramenblechen: Jedem Buchstaben entspricht aufgrund seiner Position im Alphabet ein Zahlenwert: A = 1, B = 2, C = 3 ... Z = 26. Summiert man die einzelnen Buchstabenwerte in Wörtern, ergibt sich für jedes Wort eine bestimmte Zahl. Jedes Blech zeigt drei Worte und darüber den gültigen Zahlenwert.

Im Zentrum der Ausstellung steht MUCH MORE THAN THAT – zusammengesetzt aus 16 Buchstabenbildern. Jede Leinwand zeigt einen Buchstaben, welche nach dem Setzkastenprinzip unendlich neu zusammengesetzt werden können. Es ist ein vielleicht banaler aber, wenn man möchte, auch bedeutungsschwerer Satz, der uns die inhaltsleeren Floskeln, die uns umgeben nochmal mehr vor Augen führt.

Im zweiten Weltkrieg aufgewachsen war Kurt Hüpfner geprägt von den Erlebnissen während des Krieges sowie des Wiederaufbaus in der Nachkriegszeit. Zeit seines Lebens hatte er Angst vor der nächsten Krise, hat politische Geschehnisse genau verfolgt und stellte sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit des Lebens. Diese Skepsis zeigt sich auch in den Formulierungen in seinen Werken – welche streng gesehen schlichtweg keinen Sinn ergeben und keinem Konzept folgen.

Damit stellt er sich in die Tradition der Dadaisten des frühen 20. Jahrhunderts, welche mit ihrer ironischen, anarchistischen Antikunst die Sinnlosigkeit des 1. Weltkriegs manifestierten. Es wurde mit dem allgemein gültigen Kunstbegriff experimentiert und Alltagsgegenstände zum Kunstobjekt deklariert. Sinnlosigkeit, Zufall, Improvisation und Provokation standen im Vordergrund. Ähnliches gilt auch für Kurt Hüpfner, seine Werke werden nicht geplant, sondern entstehen intuitiv, dabei gibt es keine Materialgrenzen – er verwendet was er zuhause hat und den Sinn hinter dem Werk sucht der*die Betrachter*in oftmals vergeblich.

Text: Selin Stütz-Staudinger

 

Herbert Achternbusch. Maler und Bildhauer
6. Oktober bis 3. November 2022

Herbert Achternbusch – Schriftsteller, Regisseur, Maler, Schauspieler, Bildhauer, Bühnenbildner. Heute ist der Universalkünstler in erster Linie als Autor, Filmemacher und anarchistischer Unruhestifter der 70er und 80er Jahre bekannt, ursprünglich war er jedoch bildender Künstler.

Geboren 1938, hat die Malerei von Anfang an eine entscheidende Rolle im Leben des Allrounders gespielt. Bereits in den 50ern, als er noch das Gymnasium in Deggendorf besuchte, malt Achternbusch Aquarelle und auch Ölbilder. Er orientierte sich dabei an der Klassischen Moderne und entdeckt Vincent van Gogh, den er sehr bewunderte. 1961 geht er schließlich zum Studium der Malerei an die Kunstakademie in Nürnberg, zwei Jahre später besucht er für kurze Zeit die Kunstakademie in München. Schon da schreibt er: „Man kann Kunst nicht machen. Es muss kommen. Und was kommt, ist zu respektieren.“ Das Malen war für Achternbusch etwas Intuitives: „Die Bilder werden aus einer anderen Sicht gemacht, vom Unterbewusstsein, und sprechen auch anders an, während eine Geschichte doch immer über den Verstand läuft; ein Bild muss ja nicht übern Verstand laufen.“ Von Achternbusch „nur“ als Maler, Bildhauer, Schriftsteller oder Filmemacher zu sprechen ist jedoch falsch – die Arbeit in verschiedenen Gattungen bedingt sich gegenseitig und baut aufeinander auf. So entstehen Bilder in Bezug auf Textkreationen und es erscheint kaum eine Buchpublikation ohne reiche Bebilderung.

Die Ausstellung spannt den Bogen vom Frühwerk über die zur Jahreswende 1987/88 entstandene Serie In der Dämmerung bis zur Auseinandersetzung mit antiken Themen in den 2000ern. Besonders ist die Präsentation von Skulpturen sowie Holzplastiken – die direkt aus Achternbuschs (Atelier-)Haus im Waldviertel stammen. Der Künstler beginnt Anfang der 1990er Jahre mit der Ausmalung und Gestaltung des gesamten Hauses und erschafft ein Gesamtkunstwerk. Er sagt selbst: „Nur im Waldviertel lasse ich immer gern etwas von mir zurück, sei es eine bemalte Wand oder eine angenagelte Figur.“

Highlight ist außerdem die Serie In der Dämmerung, sie besteht insgesamt aus acht Arbeiten, wobei nur fünf in der Ausstellung präsentiert werden. Sie wurde erstmals 1988 in der Wanderausstellung Herbert Achternbusch. Der Maler gezeigt, welche Halt in München, Berlin, Düsseldorf, Wien und Hamburg gemacht hat. Jedem Werk der Serie liegt ein Gedicht Achternbuschs aus den frühen 60ern zugrunde, welche teilweise bereits veröffentlicht wurden und jeweils klein ausgeschnitten im betreffenden Werk aufgeklebt und miteingearbeitet ist. Die Dämmerung, der Übergang vom Tag zur Nacht – von der Nacht zum Tag, wo die Dinge ins Zwielicht eintauchen und sich neue Möglichkeiten eröffnen. Dabei hat sich Achternbusch in der Entstehung der Serie wie immer treiben lassen: „Ich mixte sie mit den Motiven, wie es mir wieder einmal der Zufall eingab, … „

Die Serie ist beispielhaft für die verschiedenen Bedeutungsebenen, die sich in Achternbuschs Werken finden. Es treffen verschiedene Zeitebenen aufeinander, indem seine eigene Vergangenheit in Form der Gedichte auf die Gegenwart des Arbeitsprozesses stößt. Wiederum wird der Text durch die Malerei weder beschrieben noch ergänzt, sondern eröffnet eine zusätzliche Ebene der Imagination. So verweisen seine Bilder, wie auch Texte und Filme, nicht auf sich allein und was sie offensichtlich darstellen, sondern darüber hinaus.

Text: Selin Stütz
 

Parallel zur Ausstellung findet vom 4. bis 18. Oktober die Retrospektive „Herber Achternbusch. Bayrischer Weltfilmer“ im Filmarchiv Austria statt. Das Programm finden Sie HIER. 

 

ALL IN 2.0
16. November – 21. Dezember 2023

Die Ausstellung zeigt eine Zusammenschau von Werken der Künstler*innen der Galerie Dantendorfer - Peter Baldinger, BENKA, Christian Brandtner, Kurt Hüpfner, Marianne Lang, Petra Lupe, Christine Mayr und Adrian Uncrut.

Peter Baldinger – Die Auflösung bildet das zentrale Anliegen in Baldingers Oeuvre, ob durch quadratische Raster oder das Unkenntlichmachen durch Verschwimmen des Motivs. Dabei stellt er sich die Frage: Wieviel Information ist nötig, um ein Bildmotiv zu erkennen? Oder andersherum: Wieviel Bildauflösung ist möglich, um das Motiv nicht komplett zu verlieren?

BENKA – Mit seiner Kunst möchte BENKA die Betrachter*innen dazu anregen die Digitalisierung und die Nutzung von Smartphones und künstlicher Intelligenz in unserem Alltag zu hinterfragen. Den Künstler interessiert die komplexe Interaktion von Mensch und Maschine und die damit einhergehenden Chancen sowie auch Gefahren.

Christian Brandtner – Fundstücke, Tierknochen, Modelliermasse – eine Welt im Wandel, in der es immer neue Landschaften, Wesen und Metamorphosen zu entdecken gibt. Der Wiener Ausnahmekünstler Christian Brandtner schafft seinen eigenen Mikrokosmos aus Gegensätzlichkeiten.

Kurt Hüpfner – Maler, Bildhauer, Zeichner, Autor, Visionär und vieles mehr. Trotz oder vielleicht gerade weil er so lange im Verborgenen gearbeitet hat, entwickelte er eine eigenständige, kraftvolle Bildsprache. Mit dieser reflektiert er die kunsthistorischen und politischen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts.

Marianne Lang – Das zentrale Darstellungsmedium Marianne Langs ist die Zeichnung – im weitesten Sinn – sie experimentiert mit unterschiedlichen Techniken, Materialien und Perspektiven. EinThema, das sie immer wieder beschäftigt: Die Natur. Dabei geht es nicht um reine Naturbeobachtung, sondern um den Raum zwischen Natur und Mensch.

Petra Lupe – Von der Leinwand, über Papier- und Näharbeiten bis hin zu Objekten, die Künstlerin nennt es ein „Arbeiten an Versuch und Irrtum“. Das Arbeiten in Serie ist für Lupe besonders wichtig, denn nur durch die wiederholte Beschäftigung mit einem Thema oder Material dringt sie darin tiefer ein und tastet sich Schicht für Schicht vor.

Christine Mayr – Die Künstlerin beginnt schon in den 80er Jahren sich mit der Vielschichtigkeit des Heranwachsens, Kindseins, Mutterseins und schlichtweg des Menschseins auseinanderzusetzen. Mayrs Zeichnungen und Skulpturen sind sensibel, einfühlsam, mutig, provokant und direkt in einem.

Adrian Uncrut – Die Themen, die Uncrut beschäftigen, sind persönlich, alltäglich und vor allem menschlich. Auffallend ist sein Umgang mit Materialien in der Plastik sowie der Zeichnung. Er mischt Bronze, Epoxidharz, Eisen, Nirosta, Holz, Kautschuk, Gips und oftmals auch recycelte Fundstücke miteinander und formt sie zu eigenständigen Werken.

 

Petra Lupe | tabula rasa
PARALLEL VIENNA 2022
6 - 11 Sept 
Semmelweisklinik, Wien
Haus A, 3. Stock, Raumnummer A302

 

"Vermutlich ist in der Leere ein Maximum an Fülle enthalten"
(Lupe 2022)
 
Wenn an dieser Stelle von tabula rasa (abgeschabte Tafel) gesprochen wird, ist nicht die von den alten Philosophen vorgestellte Seele des Neugeborenen gemeint, die gleich einem unbeschriebenen Blatt das Licht der Welt erblickt. Vielmehr ist hier von einer Leere die Rede, die eine gewisse Grundtönung aufweist. Wir wissen heute um ein Kollektives Unbewusstes, genetische oder systemische Dispositionen, die jeglichem in die Welt kommen von Beginn an eine gewisse Prägung aufzwingen. In diesem Sinne gedacht gleicht tabula rasa einem Paradoxon, insofern seine Leere bereits in Grundzügen befüllt ist.
 
Petra Lupe kann nicht umhin in ihre Präsentation den Ort - die Semmelweis Frauen-Klinik als ehemaligen Ort des Gebärens - miteinzubeziehen, sich seiner Grundtönung, seiner Prägung anzunehmen und diese im Gezeigten thematisch aufzugreifen.
 
Betritt man den Raum, stechen der*dem Betrachter*in vorerst zwei symbolträchtige Merkmale ins Auge, einerseits ist dies die Form des Kreises, wobei sich Lupes open circles durch ihre offene Kreisform auszeichnen. Andererseits findet man die Farbe Rosa, an die Reinheit des Neugeborenen erinnernd.
 
Die präsentierten Papierarbeiten offenbaren auf den ersten Blick nur ihre Form, erst bei genauerer Betrachtung treten die unterschiedlichen Prägungen zu Tage, die schließlich in färbigen Acrylglasobjekten ihre ganze Kraft entfalten. Die Farbe setzt sich fort an den gezeigten schematischen Aktfotografien, welche an die Verletzlichkeit des Menschsein erinnern. Schließlich wird diese Wand von zwei großen Leinwandarbeiten IN UTERO dominiert, die in ihrer Tönung und Schichtung dem Inneren der Gebärmutter nachempfunden sind.
 
Letztendlich versteht Lupe den künstlerischen Prozess selbst als Akt des Gebärens. Verortet zwischen Fülle und Leere, besteht das eigentliche Kunststück darin, ihm nur so weit einen persönlichen Stempel aufzudrängen, dass sich nach wie vor eine kollektive Wahrheit wiederfindet, in der sich der*die Betrachter*in spiegeln kann
 
BENKA @Parallel Vienna 2023
5. - 10. September 2023

Mit seiner Kunst möchte BENKA die Betrachter*innen dazu anregen die Digitalisierung und die Nutzung von Smartphones und künstlicher Intelligenz in unserem Alltag zu hinterfragen. Den Künstler interessiert die komplexe Interaktion von Mensch und Maschine und die damit einhergehenden Chancen sowie auch Gefahren.

Sinnbild der Robotisierung unserer Gesellschaft in BENKAs Kunst ist der Begriff des CAPTCHA, welcher den Titel eines jeden Gemäldes bildet. Ein Captcha ist eine automatisierte Abfolge von Zahlen und/oder Buchstaben, die prüfen soll, ob es sich bei der Nutzerin*beim Nutzer um einen Menschen oder eine Maschine handelt. So bilden auch in seinen Werken Buchstaben und Zahlen die Basis, welche durch einen intuitiven, rohen Farbauftrag vollendet wird.

 

Kurt Hüpfner - Vorm Erahnen der Welt
im Gasthof Schloss Aigen, Salzburg

27. Juli bis 24. August 2022

„Die Welt offenbart sich in lauerndem Zustand; als Kälte, die uns ihr Messer an die Kehle setzt,
oder als träg dahinfließender Strom, von bösen Absichten vorbeigeleitet.“
Kurt Hüpfner, 1998

Kurt Hüpfner hat beinahe sein ganzes Leben abseits der Kunstwelt verbracht und ein beeindruckendes Oeuvre bestehend aus über 2500 Zeichnungen, knapp 200 Skulpturen, 120 Gemälden sowie zahlreichen Assemblagen und Collagen geschaffen. Trotz oder vielleicht gerade weil er so lange im Verborgenen gearbeitet hat, entwickelte er eine eigenständige, kraftvolle Bildsprache. Mit dieser reflektiert er die kunsthistorischen und politischen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts.

1930 geboren wächst er in der Zeit des zweiten Weltkriegs in Wien auf, seine Jugenderinnerungen sind geprägt von Bombenangriffen, Luftschutzkellern und Nachkriegschaos. Diese traumatischen Erlebnisse fließen immer wieder in sein gesamtes Schaffen ein. 1947-50 absolviert er eine Ausbildung zum Gebrauchsgraphiker an der Höheren Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt in Wien. 1961 beginnt seine tiefe Auseinandersetzung mit Kunst sowie eine intensive Zeichenpraxis - es entstehen vorwiegend Naturstudien. Während eines Paris-Aufenthalts kommt Hüpfner mit der écriture automatique der Surrealisten in Berührung, er beginnt mit der automatischen Zeichnung zu experimentieren - welche nicht geplant, sondern ohne Kontrolle des Bewusstseins entsteht. Dieses Medium begleitet den Künstler bis heute, viele der entstandenen Zeichnungen wurden Jahre später in Plastiken oder Gemälden weiterverarbeitet.

1963 schafft der Künstler mit Dame mit schöner Frisur seine erste Plastik, die sich durch eine radikale Reduktion von physiologischen Merkmalen auf einfache geometrische Formen auszeichnet. Diese Reduktion auf die Fläche und Form zieht sich durch das weitere Schaffen. Hüpfner sagt selbst: „Mich interessiert nur die Form, da gieße ich dann den Inhalt hinein.“

Die Themen, die den Künstler beschäftigen, reichen von Geschichte über Religion und Mythos bis in die Welt der Vorahnung. Häufig finden sich in seinem Oeuvre tragische Held:innen aus Mythologie und Religion. Eine nachhaltige Rolle spielt der Begriff des Omens, in Hüpfners Verständnis das Spüren der Anwesenheit „eines unsichtbaren Dritten“, er nennt es das „Numinose“ – schaudervoll und anziehend sogleich. Dabei grenzt er sich vom christlichen Glauben ab und bleibt in betont pessimistischer Stimmung: „Lichtgestalten, die sind für mich nicht existent. Aber das Dunkel, das so drohend ist, an das glaube ich schon.“ So entsteht die zentrale Werkserie Omen, welche das Numinose in Form von alltäglichen Begegnungen mit Menschen und Dingen dokumentiert.

Kurt Hüpfner gibt den Betrachter:innen in seinem Oeuvre einen Einblick auf Ereignisse, Religionen und Mythen unserer Welt. Dabei trägt jedes Kunstwerk seine persönliche Handschrift aus Kontur, Fläche und Form – sie lässt uns erahnen, wie der Künstler die Welt vernimmt.

Text: Selin Stütz

Christian Brandtner | Transformation
11. Mai - 29. Juni 2023


Fundstücke, Tierknochen, Modelliermasse – eine Welt im Wandel, in der es immer neue Landschaften, Wesen und Metamorphosen zu entdecken gibt. Der Wiener Ausnahmekünstler Christian Brandtner schafft seinen eigenen Mikrokosmos.

Schon als Kind und Jugendlicher verspürt Brandtner eine große Affinität zur Zeichnung, nach der Begegnung mit der Kunst van Goghs beginnt eine eigene künstlerische Tätigkeit, die schlussendlich auch zur Ausbildung als Theatermaler führt. Neben dieser beruflichen Tätigkeit wächst ein eigenständiges künstlerisches Werk, welches von gegenständlicher Malerei und Zeichnung bis zu plastischen Objekten reicht.

Brandtner interessiert sich für Gegensätzlichkeiten – Oberflächenbeschaffenheit, Formunterschiede oder Farbgegensätze – sie stehen sinnbildlich für Tod und Leben, Gut und Böse, Oben und Unten. Innerhalb dieser Pole gibt es in den Arbeiten wiederkehrende Elemente, wie das Ei, die Wäscheklammer, das Auge oder der Pfeil. Bei einem Besuch im Künstleratelier denkt man schnell an eine Kunst- und Wunderkammer. Die Objekte beeindrucken nicht nur durch die Materialvielfalt und detailgenaue Arbeit, sondern machen auch beinahe den Eindruck, als handle es sich um lebendige Wesen.

Die Ausstellung legt einen Fokus auf die neueste Serie „Tardigrade“, in der sich Brandtner an den 500 Mio. Jahre alten Bärtierchen abarbeitet. Tardigraden sind unter einem Millimeter kleine Tierchen, welche die außerordentliche Fähigkeit haben sich an die extremsten Lebensbedingungen anzupassen. Sie überleben im Weltall, in der Arktis oder am tiefsten Punkt des Meeres. Die Tiere sind in der Lage ihre Stoffwechselaktivität zu stark zu reduzieren, dass sie in einen todesnahen Zustand übergehen und darin Jahrzehnte bleiben können. Genau diese Anpassungsfähigkeit hat Brandtner inspiriert, er verwandelt die robusten Bärtierchen in Flugobjekte, die an die wissenschaftlichen Errungenschaften des 20. Jahrhundert erinnern.

Die Arbeiten aus der Serie „Ei-Transformation“ beeindrucken durch Details, darin werden Eierschalen, Holz, Draht, Glas, Blätter und Modelliermasse zu kleinen Kunstobjekten geformt. Das Ei steht in zahlreichen Religionen und Kulturen für die Schöpfung, das Leben, die Auferstehung – so findet es seinen Weg auch in das Werk Brandtners und wird zum Nährboden für neue Wesen und Formen.

Text: Selin Stütz

Marianne Lang | we are nature

25 Mai bis 29. Juni 2022

Marianne Langs zentrales Darstellungsmedium ist die Zeichnung – im weitesten Sinn – sie experimentiert mit unterschiedlichen Techniken, Materialien und Perspektiven. Von der „klassischen“ Bleistiftzeichnung, über eine Gravur-Zeichnung auf Glas bis zum Zeichnen mit einem Lötkolben findet sie die unterschiedlichsten Zugänge. Das Besondere in Langs Zeichnungen ist die Abstimmung der Technik auf das Motiv – so finden sich Brandzeichnung und Motten, sowie Silberstift auf schwarzer Leinwand und Pflanzen, die erst bei Nacht ihre ganze Pracht zeigen. Das zentrale Thema bildet wiederum die Natur. Wobei es nicht um reine Naturbeobachtung und Darstellung von Naturphänomenen geht, sondern um den Raum zwischen Natur und Mensch. Wie wir in der Natur leben, wie wir mit ihr umgehen und koexistieren.

„Das Haus im Grünen“ – viele Menschen verbinden mit diesen vier Worten einen tiefen Wunsch nach einem Ort der Ruhe und Entspannung, einer Oase, unberührt und abgeschieden, in der man die Seele baumeln und dem Alltag entfliehen kann. Marianne Lang macht daraus eine Werkserie, in der das Spannungsfeld zwischen Mensch und Natur thematisiert wird. Die Serie zeigt Gebäude und Innenräume, die nicht klassisch von Mauern und Fenstern getragen oder von Möbeln und Dekor bewohnt, sondern deren Umrisse durch Pflanzenbewuchs dargestellt werden. Die Motive sind real existierende Häuser und Innenräume, die teilweise von der Künstlerin adaptiert und erweitert werden.

Der Serie und auch der Kunst Langs allgemein liegt der Begriff des Raums zu Grunde. Am Beispiel des Haus im Grünen zeigt Lang Innen- wie auch Außenräume, welche erst durch Objekte und Menschen belebt werden. Es stellt sich die Frage, welche Rolle die Natur in diesen Räumen hat. Ist sie ein fixer Bestandteil unserer Lebensräume? Und wenn ja, zu welchen Bedingungen? Viele haben den Wunsch in der Natur zu sein, sie zu erleben und auch zu schützen. Aber welche Räume kann man tatsächlich noch „natürlich“ nennen? Vielleicht leben wir doch eher in einer vom Menschen geschaffenen „Natur“?

Einen ähnlichen Zugang der Durchdringung und Verschmelzung von Außen und Innen, Privat und Öffentlich, sowie Natur und Mensch findet sich in der Serie Double Sights. Dabei legt Lang zwei Motive übereinander und erinnert dabei an die fotografische Technik der Doppelbelichtung. Maßgeblich ist, dass es sich bei den Motiven um eine Landschaft und einen Innenraum handelt. Auf den ersten Blick laden die Arbeiten zum Träumen ein – der Tisch am See oder ein Sofa im Park. Doch in unserer schnelllebigen Welt, in der die Grenzen von on- und offline, privat und beruflich so dünn wie noch nie sind, kommt vielleicht bei näherer Betrachtung auch der Wunsch nach einer Trennung dieser Lebensräume auf.

We are nature - die Ausstellung soll einmal mehr das Bewusstsein der Besucher:innen und ihrer Beziehung zur Natur und ihren Lebensräumen schärfen. Und vielleicht stellt sich eine:r im Nachhinein die Frage: Are we nature?

Text: Selin Stütz

BALDINGER. Danse Macabre
19. Jänner - 16. Februar 2023

Die Auflösung bildet das zentrale Anliegen in Baldingers Oeuvre, ob durch quadratische Raster oder das Unkenntlichmachen durch eine Art Verschwimmen des Motivs. Sie rückt auch in Baldingers jüngsten Werken zur Bearbeitung von Holbeins Bilder des Todes wieder in den Mittelpunkt.

Bis heute kennt die Kunstgeschichte keine klare Definition zum Motiv des Totentanz, die ersten bekannten Darstellungen gehen bis ins 14. Jahrhundert zurück. Was sie alle eint, ist ihre Botschaft: „Spätestens im Tod sind alle Menschen gleich.“

1526 schuf Hans Holbein d. Jüngere 41 Holzschnittentwürfe zum Thema des Totentanz, welche 1538 als Buch Totentanz von Hans Holbein veröffentlicht wurden. Als Neuerung gegenüber mittelalterlichen Totentänzen teilte Holbein den reigenartigen Aufzug der Sterbenden in voneinander unabhängige Einzelbilder, in denen der Tod jeweils auf einzelne Ständevertreter*innen trifft. Holbeins Zyklus beginnt mit der Schöpfung, er schreitet voran zum Sündenfall, der Vertreibung aus dem Paradies, kommt zu den Schicksalen einzelner Berufs- und Standesgruppen und endet schlussendlich mit dem Jüngsten Gericht. Das Besondere in Holbeins Totentanz ist die Aufzählung der einzelnen Schicksale nach Stand. So ist der erste, der vom Tod geholt wird, der Pabst und das Ende bildet der Tod eines Kindes. Dabei ist das gesamte Werk als Sitten- und Ständekritik zu verstehen, so beendet der Tod beispielsweise die Bestechlichkeit des Kaisers als höchstem irdischen Richter oder das weltliche Streben nach Gütern des Kardinals. Zentrale Botschaft ist jedoch auch hier, dass es entgegen allen Bestrebungen der Lebenden am Ende zu einer Auflösung aller Ständeunterschiede kommt.

Die originalen Entwürfe Holbeins sind gerade mal ca. 5 cm groß, dagegen werden die Motive in Baldingers Danse Macabre vergleichsweise riesenhaft vergrößert und durch die Überlagerung mit einem sehr groben Raster beinahe völlig aufgelöst. Baldinger versucht in der Serie dem Unausweichlichen den Schrecken zu nehmen, indem die Werke den Prozess bereits vorwegnehmen.

Text: Selin Stütz

Christine Mayr | Face and Faceless

7. April bis 12. Mai 2022

Christine Mayrs Kunst fußt in ihrer Ausbildung an der Universität für angewandte Kunst in Wien im Fach Bildhauerei bei Wander Bertoni. Die Künstlerin beginnt schon in den 80er Jahren sich mit der Vielschichtigkeit des Heranwachsens, Kindseins, Mutterseins und schlichtweg des Menschseins auseinanderzusetzen. Ihre Zeichnungen und Skulpturen sind sensibel, einfühlsam, mutig, provokant und direkt in einem. Die Figuren eint eine besondere Disharmonie, in ihren Köpern wie in ihren Ausdrücken. Die physischen Proportionen stimmen oft nicht überein, ein junger Körper trägt ein erfahrenes Gesicht, Geschlechter sind nicht klar zu erkennen – doch all das muss nach Mayr auch nicht klar lesbar sein. Denn es geht nicht um genaue Zuschreibungen, sondern um allgemein menschliche Erfahrungen und Gefühle.

Im Zentrum der Ausstellung steht die Serie „Faceblind“, in der sich die Künstlerin dem Thema der Gesichtsblindheit widmet. Mayr versucht diese besondere Form der Wahrnehmung in ihrem Werk darzustellen und den Betrachter:innen einen Eindruck zu geben, wie gesichtsblinde Menschen ihre Umwelt wahrnehmen. In dieser Werkserie greift die Künstlerin meist auf das Medium der Zeichnung zurück. Die Figuren sind vom Scheitel bis zum Schulteransatz gezeigt und alle haben gemeinsam, dass ihr Gesicht verdeckt oder unkenntlich ist. Dies geschieht auf unterschiedliche Weise – durch Hände oder Objekte, die vor das Gesicht gehalten werden oder die Gesichter sind verzerrt, haben keine Augen, viele Münder etc. Dadurch bekommt jede Figur einen besonderen Charakter und es entsteht ein sehr diverses Bild des Verdeckens und Anonymisierens. Auf der einen Seite stehen Mädchen, die sich hinter einem Blumenstrauß oder Drink verstecken und einen sehr verspielten Eindruck machen. Andererseits finden sich Figuren ohne Augen, mit weit geöffnetem Mund, vielen Zähnen oder verbundenen Augen, welche wiederum verletzlich oder gar unheimlich wirken.

Mayrs plastische Arbeiten sind aus Keramik geformt und teilweise bemalt oder glasiert. Trotz der harten, rauen Oberfläche wirken die Figuren sehr menschlich, es entsteht der Eindruck, als würden sie direkt mit uns interagieren und in Kontakt treten. So scheint es, als würde sich das kleine Mädchen (oder Junge) gerade vor uns auf den Boden kauern und die Arme über dem Kopf zusammenschlagen oder die Frau uns in diesem Moment mit festem Blick ihre blutende Vulva offenbaren. Dadurch kann im:in der Betrachter:in schnell auch ein Gefühl des Unbehagens entstehen. Man stellt sich die Frage: Möchte ich mich diesem Wesen, dieser Figur nun widmen und mich mit ihr auseinandersetzen? Nun, die Antwort muss jede:r selbst treffen, jedoch ist ein genauer Blick in jedem Fall lohnenswert – erst dann treten die raffinierten Details sowie die außerordentliche Körperlichkeit der Figuren in den Vordergrund.

Face and Faceless – der Titel der Ausstellung stimmt uns schon auf die Werke der Künstlerin ein. Der:die Besucher:in begegnet Frauen, Männern, Mädchen und Buben, manche von ihnen haben ein Gesicht, viele haben keines. Sollen wir ihnen eines geben? Auf welche Weise diese Begegnung stattfindet ist uns überlassen – in einem flüchtigen Zusammentreffen oder einer tiefen Auseinandersetzung.

 

Text: Selin Stütz

 

 

BENKA | Painted with vulgarity
17. November bis 22. Dezember 2022

Die Winterausstellung der Galerie Dantendorfer in Wien ist dem in München lebenden Künstler BENKA gewidmet. Die Galerie lädt am 17. November 2022 zur Vernissage der Ausstellung "Painted with vulgarity" ein.

Mit seiner Kunst möchte BENKA die Betrachter*innen dazu anregen die Digitalisierung und die Nutzung von Smartphones und künstlicher Intelligenz in unserem Alltag zu hinterfragen. Den Künstler interessiert die komplexe Interaktion von Mensch und Maschine und die damit einhergehenden Chancen sowie auch Gefahren.

Welche Auswirkungen hat die Digitalisierung auf unseren Alltag? In wie vielen Bereich in unserem Leben sind wir von Maschinen abhängig, ohne es zu merken? Diese Fragen beschäftigen den Künstler - Sinnbild der Robotisierung unserer Gesellschaft in BENKAs Kunst ist der Begriff des CAPTCHA, welcher den Titel eines jeden Gemäldes bildet. Ein Captcha ist eine automatisierte Abfolge von Zahlen und/oder Buchstaben, die prüfen soll, ob es sich bei der Nutzerin*beim Nutzer um einen Menschen oder eine Maschine handelt. So bilden auch in seinen Werken Buchstaben und Zahlen die Basis, welche durch einen intuitiven, rohen Farbauftrag vollendet wird.

Der Ausstellungstitel Painted with Vulgarity soll die Technik und Entstehung der Werke in den Fokus nehmen. Ganz in der Tradition der abstrakten Expressionisten der 1950er, gibt es in BENKAs Malerei kein Reglement, es geht nicht um Perfektion, sondern viel mehr um Emotion und Spontanität. Der Farbauftrag passiert intuitiv mit Pinseln, Sprühdosen, den Händen oder Spachteln. Er möchte „ein menschliches Gemälde“ schaffen, „im Gegensatz zu einer glatten, perfekten, sauberen Malerei, wie eine Maschine es malen könnte“. Dieses von Menschen geschaffene soll auch sichtbar sein, scheinbar vulgär im Malauftrag, aber elegant in der Gesamterscheinung.

Neu in der Ausstellung sind die kleinen Formate, bei denen es sich um Fragmente von großen Leinwänden handelt. Sie sind die Überbleibsel von vom Künstler zerstörten Gemälden: „Es ist, als ob ich das Schönste rausgenommen hätte, wie ein Chirurg“ Er schneidet aus einem nicht zufriedenstellenden Werk die Essenz - „ein Stück Emotion“, wie er es nennt - und erhebt dieses zu einem in sich geschlossenen Kunstwerk.

Text: Selin Stütz
 

 

(Master)pieces

25. Februar bis 25. März 2022

In unserem On- und Offline Viewing Room zeigen wir einen Ausschnitt unseres aktuellen Galerieprogramms mit Arbeiten von Peter Baldinger, Kurt Hüpfner, Christine Mayr, Marianne Lang und Petra Lupe.

Kurt Hüpfners 70 Jahre andauerndes Oeuvre besteht aus Skulpturen, Assemblagen, Collagen, Gemälden, Wandbehängen, Karikaturen, grafischen Reproduktionen, Konvoluten, Textbildern, Graphic Novels und Hunderten von Zeichnungen. Schwerpunkte seiner Kunst sind politische Ereignisse, persönliche Erinnerungen und Begegnungen sowie persönliche Studien zu Autoren, Künstlern und Textquellen. Entstanden ist eine einzigartige Welt voller Fabelwesen und Figuren, erschaffen aus unterschiedlichsten Materialien, Farben und Formen.

Marianne Langs zentrales Darstellungsmittel ist die Zeichnung – denkt das Medium aber in einem größeren Maßstab, indem sie mit unterschiedlichen Techniken, Materialien und Perspektiven experimentiert. Der rote Faden in Langs Kunst ist die Spannung zwischen Mensch und Natur. Die Art und Weise, wie wir über Natur, Raum und Architektur denken, wird durch die Art und Weise geprägt, wie wir über Grenzen nachdenken. Wie weit gehen wir, um in die Natur einzugreifen? Wann kommt der Punkt, an dem die Natur zurück erobert?

Von Leinwand über Papier und Näharbeiten bis hin zu Objekten nennt es die Künstlerin „Arbeiten nach dem Trial-and-Error-Prinzip“. Viele Materialien werden durch Petra Lupe recycelt und finden ihren Weg aus ihrer Umgebung in ihre Arbeit. Das Arbeiten in Serien ist für Lupe besonders wichtig, denn nur durch die wiederholte Auseinandersetzung mit einem Thema oder Material taucht sie tiefer ein und findet sich Schicht für Schicht vor, bis die richtige Bildsprache gefunden ist.

In Peter Baldingers umfangreichem Oeuvre gibt es ein wiederkehrendes Thema: Auflösung. Dabei nähert er sich ihr immer wieder aus einem anderen Blickwinkel, versucht sie durch unterschiedliche Techniken neu zu entdecken und setzt sich spielerisch damit auseinander. Baldinger arbeitet in seiner Kunst sehr systematisch mit alltäglichen Motiven und bekannten Sujets der Kunstgeschichte und fragt sich: Wie viele Informationen sind notwendig, um ein Bildmotiv zu erkennen? Oder umgekehrt: Wie weit kann die Bildauflösung gesenkt werden, ohne dass das Motiv verloren geht?

Seit 2019 widmet sich Christine Mayr einem neuen Thema – Gesichtsblindheit. Sie arbeitet daran, diese besondere Form der Wahrnehmung zu Papier zu bringen und dem Betrachter einen Eindruck davon zu vermitteln, wie Menschen mit Gesichtsblindheit ihre Umwelt erleben. Mayr zeichnet mit Buntstiften auf Papier, ihre Skulpturen sind aus Keramik aufgebaut und teilweise farbig und glasiert. Meistens arbeitet sie intuitiv, sie komponiert ihre Kunstwerke nicht, sondern lässt sie einfach wachsen und entstehen.